CSRD & Omnibus: Mehr Klarheit oder neue Hürden?
Shownotes
Die EU will die CSRD vereinfachen – doch was bedeutet das für Banken und Finanzinstitute konkret? Die neue Nachhaltigkeitsrichtlinie soll Berichtspflichten vereinheitlichen, Transparenz schaffen und Bürokratie abbauen. In der Praxis sieht das anders aus. Viel mehr wächst die Unsicherheit: Wann gilt was? Wer muss berichten? Und welche Daten genügen künftig den ESRS-Anforderungen? Zwischen Omnibus-Reform, Stop-the-Clock-Mechanismus und freiwilligem VSME-Standard fragen sich viele Institute, wie sie ihre Berichte rechtssicher und effizient gestalten können. Host Ares Abasi fragt Nana von Rottenburg und Jula Bartscher vom BVR, ob die CSRD am Ende wirklich Erleichterung bringt – oder neue Hürden schafft.
Nana von Rottenburg: Referentin Kompetenzzentrum Nachhaltigkeit beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).
Nana von Rottenburg | LinkedIn
Jula Bartscher: Referentin für Nachhaltigkeitsberichterstattung beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).
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Finanzrauschen - Folge 32 - Transkript
00:02Intro
Finanzrauschen, der Banking-Podcast. Eine Produktion von DG Nexolution.
00:11Ares Abasi
Die CSRD, also die Corporate Sustainability Reporting Directive, ist die neue EU-Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichte. Sie soll die bisherige NFRD, also die Non-Financial Reporting Directive, ersetzen, die Berichtspflichten stark ausweiten und für mehr Vergleichbarkeit sorgen. Aber für die Erstellung dieser Berichte ist ein hoher bürokratischer Aufwand entstanden. Die EU-Kommission will dem nun entgegenwirken und die CSRD vereinfachen. Wir erklären, was der aktuelle Stand der politischen Diskussion ist, wo die Kritikpunkte liegen und wie die CSRD künftig aussehen könnte. Um diese Fragen zu klären, habe ich Jula Bartscher und Nana von Rottenburg vom BVR zu Gast. Frau von Rottenburg, Frau Bartscher, ich freue mich, dass Sie heute bei mir digital zu Gast sind. Erst mal, von wo sind Sie denn dazu geschaltet?
00:56Jula Bartscher
Ja, hallo, ich freue mich auch. Vielen Dank für die Einladung und ich bin aus Berlin aus dem Homeoffice zugeschaltet.
01:02Nana von Rottenburg
Hallo, ich freue mich auch sehr dabei zu sein. Nanna von Rottenburg. Ich bin ebenfalls im Homeoffice heute in der Hoffnung, dass es hier ruhig bleibt und bin in Berlin.
01:11Ares Abasi
Sehr schön, ich freue mich auf das Gespräch. Die CSRD löst ja die NFRD ab und soll Nachhaltigkeitsberichte vereinheitlichen. Frau von Rottenburg, was ist die CSRD erst mal konkret und was genau ist Ihr Ziel?
01:25Nana von Rottenburg
Vielleicht einmal ganz kurz überhaupt zu den Zielen dieser Nachhaltigkeitsberichterstattung. Das sind Instrumente, die auch zur Umsetzung der internationalen Nachhaltigkeitsziele und vor allen Dingen auch der Sustainable Finance-Strategie der EU beitragen sollen. Und wenn man das historisch betrachtet, wurde die Rolle des Finanzsektors erstmalig in der Agenda 2030 und im Pariser Klimaabkommen direkt benannt, tatsächlich im Pariser Klimaabkommen auch als eins der drei Ziele. Und die Berichterstattung fing dann tatsächlich in Frankreich etwa ein Monat nach Inkrafttreten des Abkommens an. Dort wurden damals schon Finanzinstitute verpflichtet, ihre klimabedingten Risiken zu messen. Und die EU hat diesen ganzen Ansatz zu Transparenz über nachhaltige Aspekte des Wirtschaftens aufgegriffen, und hat ab dem 1. Januar 2017 erst mal die NFRD, die Sie benannt hatten, verpflichtend gemacht für große börsennotierte Unternehmen und Finanzunternehmen. Und die NFRD war erst mal sehr frei in ihrer Gestaltung. Man konnte sich an einem Rahmenwerk, GHI oder auch den deutschen Nachhaltigkeits-Kodеx, der Nachhaltigkeitsberichterstattungsrahmenwerk hatte, orientieren. Und was man nach einer Weile festgestellt hat, ist, dass diese Berichte zwar viele Informationen hatten, aber in keiner Weise vergleichbar waren. Und deshalb hat sich die EU-Kommission entschieden, die CSRD ins Leben zu rufen, um auf dem Markt stärkere Transparenz über Nachhaltigkeitsaspekte von Unternehmen bereitzustellen und auch größere Datenverfügbarkeit zu erreichen auf dem Markt, von geprüften, gleichwertigen Nachhaltigkeitsdaten. Und daher war der Ansatz, das Ziel der CSRD im Grunde, im Markt mehr Vergleichbarkeit, Benchmarking, Transparenz zu bieten und Unternehmen anzuhalten, sich sehr strukturiert mit der Nachhaltigkeit ihrer Geschäftsmodelle zu beschäftigen.
03:21Ares Abasi
Viele Unternehmen hielten die Vorgaben aber für sehr aufwendig. Frau Bartscher, wo lag denn das Problem genau?
03:27Jula Bartscher
Ja, mit der CSRD hat man nicht weniger als den Anspruch gehabt, finanzielle Berichterstattung und nicht finanzielle, das heißt Nachhaltigkeitsberichterstattung, auf eine Ebene zu heben. Was das nach sich zieht, ist: CSRD-Berichterstattung ist keine kleine Angelegenheit, die man als Unternehmen mal eben nebenher abhandeln kann, sondern es ist wirklich ein ganzjährig laufendes Unterfangen, zumeist in Form eines Projektes, wofür dann finanzielle und personelle Ressourcen bereitgestellt werden müssen. Dafür müssen neue Kompetenzen aufgebaut werden, Mitarbeitende geschult oder neu eingestellt werden, und wir sehen auch häufig im Markt und bei unseren genossenschaftlichen Instituten, dass externe Beratungen hinzugezogen werden müssen, insbesondere, um die initiale Wesentlichkeitsanalyse prüfkonform anzuleiten und die neuen Prozesse rund um die internen Abstimmungen zwecks der Berichterstattung im Haus aufzusetzen. Zudem werden auch technische Tools, vor allen Dingen zur Stakeholder-Befragung, Wesentlichkeitsanalyse und strukturierten Datenerfassungen, eingekauft. Das sind natürlich alles Kostenfaktoren, und da der CSRD-Bericht auch in den Jahresabschluss kommt und von einem externen Prüfer geprüft wird, muss dieser prüfkonform nach den ESRS, also diesen Nachhaltigkeitsstandards, erstellt worden sein. Und da die Anforderungen der ESRS total kompliziert formuliert sind, sind dann häufig eine recht enge Betreuung und viele Prüfungstage notwendig, und das hat auch leider bei vielen Unternehmen einfach dazu geführt, dass sie zu einer Over-Compliance tendiert sind. Die CSRD-Berichte sind dann teilweise sehr lang geworden und es wurden mehr Daten berichterstattet als notwendig und dann halt auch aussagekräftig. Ja und auch für Unternehmen, die zuvor NFRD-verpflichtet waren, also eine nicht finanzielle Erklärung abgegeben haben und auch schon Erfahrungen bei der Berichterstellung haben, ist die CSRD, also salopp gesagt, nochmal eine ganz schöne Hausnummer. Gerade bei KMU und kleineren Instituten mit weniger Kapazitäten hat die Aussicht auf die Berichtspflicht in den kommenden Jahren entsprechend für Unmut gesorgt. Und zumal in Deutschland haben wir ja einen sehr ausgeprägten Mittelstand und viele kleinere Finanzinstitute, die dann von den Pflichten betroffen sind, und das schlägt natürlich auch in diese eine Kerbe: der Überhang an Regulierungen in der EU ist groß, Bürokratie und übermäßige Berichtspflichten können zu einem Hindernis für die Wettbewerbsfähigkeit werden. Und nachdem der ehemalige EZB-Chef Mario Draghi dies auch Ende 2024 öffentlichkeitswirksam kritisiert hat, hat die EU-Kommission gesagt "Wir müssen Bürokratie abbauen, damit wir die europäische Wettbewerbsfähigkeit bewahren können und wir fangen bei den Rechtsakten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung an". Und herausgekommen ist der Omnibus 1, der uns ja jetzt schon seit bald einem Jahr beschäftigt.
06:15Ares Abasi
Sie haben es gerade angesprochen: Omnibus, dieses Wort ist zurzeit in aller Munde. Die EU-Kommission will ja mit ihrem Omnibus-Vorschlag die Gesetzgebungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung vereinfachen. Das bedeutet auch, dass es eine neue CSRD-Richtlinie geben wird, die in Deutschland in nationales Recht umgesetzt werden muss. Dabei wurde die alte CSRD durch den Ampelbruch in Deutschland noch nicht umgesetzt. Ursprünglich sollten Unternehmen bereits ab dem Geschäftsjahr 2024 nach der CSRD berichten, Deutschland hat die Richtlinie aber nicht fristgerecht bis Mitte 2024 umgesetzt, und es gilt weiterhin die NFRD. Wie passt das alles zusammen, Frau von Rottenburg, welche Änderungen sind das und warum gibt es sie überhaupt?
06:57Nana von Rottenburg
Ja, vielleicht erst einmal zum Omnibus. Der Omnibus besteht aus drei Richtlinien, der CSRD, der CSDDD und der Taxonomie, die alle durch Delegated Acts verändert werden sollen. Das ist ein neues Instrument, das die EU nutzt. Sie hat danach noch, ich glaube, vier oder fünf weitere Omnibusse ins Leben gerufen. Und die Hauptveränderung in Bezug auf die CSRD war der Vorschlag der Veränderung des Scopes. Also, ab welchen Kriterien bin ich als Unternehmen berichtspflichtig? Und vor allen Dingen wurden hier die Kriterien zu Mitarbeiteranzahl und Umsatz verändert, oder es wurde ein Vorschlag gemacht, diese zu verändern. Und die EU-Kommission hat eine Hochsetzung von 250 Mitarbeitenden bei der CSRD als, sozusagen, Grenze auf 1000 Mitarbeitende vorgeschlagen und 50 Millionen Umsatz. Jetzt ist es in der EU so, das kann die EU-Kommission ja nicht alleine entscheiden, da müssen der Rat und das Parlament solchen Vorschlägen zustimmen. Die haben jetzt jeweils auch ihre Meinung oder Position erarbeitet. Beim Rat steht die Position fest. Dort hat man sich auf 1000 Mitarbeitende und 450 Millionen Umsatz geeinigt, während der zuständige Ausschuss im Parlament, der eine Position erarbeitet, der hatte auch 1000 Mitarbeitende und 450 Millionen vorgeschlagen. Das ist aber im Gesamtplenum abgelehnt worden. Da ist also noch alles offen. Sobald sich das Parlament auf eine Position geeinigt hat, wird es da weitergehen und es wird in ein Trilogverfahren gehen, wo man sich dann auf Zahlen einigen muss wer dann berichtspflichtig sein wird. Andere Teile beinhalteten dann auch noch die Reduzierung der Datenpunkte bei den ESRS. Und es gab auch noch eine Stärkung innerhalb des Vorschlags eines freiwilligen Standards. Dieser wurde schon zuvor parallel zur CSRD oder beziehungsweise zu den ESRS entwickelt, der sogenannte VSME, der Voluntary SME-Standard. Der hätte gelten sollen für alle Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitenden. Der VSME ist sozusagen der kleine Bruder der CSRD und wird jetzt aber, das kann man schon absehen, eine viel, viel größere Rolle spielen, wei viel mehr Unternehmen diesen Berichtstandard nutzen können oder wollen oder dürfen - weil er ja freiwillig ist - anstatt der CSRD oder der NFRD. Der VSME wurde dieses Jahr als Empfehlung freigegeben durch die EU-Kommission sozusagen, ist aber noch nicht ganz fertiggestellt. Die EU-Kommission hat es sich herausgenommen, diesen noch einmal zu überarbeiten und entsprechend des Ausgangs des Omnibusses etwas anzupassen. Das ist die EU-Situation. Jetzt ist die Situation in Deutschland anders. Die CSRD wurde, wie gesagt, nicht umgesetzt. Das heißt, im Augenblick ist in Deutschland noch die NFRD in Kraft, und es hat sozusagen in Deutschland noch kein einziges Unternehmen einen CSRD-Bericht sozusagen im rechtlichen Sinne erstellt. Es gibt einige, die haben nach CSRD berichtet, aber es war noch keine wirkliche CSRD-Berichterstattung. Und es gibt jetzt einen Referenten- und einen Regierungsentwurf, die CSRD auch in Deutschland umzusetzen. Der Regierungsentwurf ist noch nicht in Kraft getreten und es ist halt fraglich, ob es dieses Jahr passiert. Es kann passieren. Das heißt dann, dass alle bisher NFRD-pflichtigen Unternehmen auch einen CSRD-Bericht erstellen müssten. Es kann aber auch passieren, dass das Gesetz nicht umgesetzt wird, dann müssen alle Unternehmen weiterhin ein NFRD-Bericht erstellen. Also als Unternehmen muss man, oder als Bank muss man sehr sorgsam die politischen Entwicklung einfach verfolgen. Das Gleiche wie für die CSRD, die noch nicht umgesetzt wird, gilt auch für das Stop the Clock. Das war ein Mechanismus, den die EU-Kommission auch noch eingefügt hatte, dass die Unternehmen der sogenannten zweiten und dritten Welle - die CSRD sollte nämlich schrittweise in Kraft treten - dass die erst mal für zwei weitere Jahre von der CSRD-Pflicht befreit sind. Das ist natürlich in Deutschland aufgrund der fehlenden CSRD-Umsetzung auch noch nicht umgesetzt, ist ein wenig im Regierungsentwurf mit integriert, aber wir können eigentlich nichts weiter tun als den politischen Entwicklungen harren und schauen, was rauskommt und dann so gut wie möglich Unterstützungsleistung bieten.
11:16Ares Abasi
Frau Bartscher, durch politische Diskussion ist noch vieles offen. Welche Fragen beschäftigen die Unternehmen denn am meisten?
11:23Jula Bartscher
Die größte und wichtigste Frage ist natürlich: bin ich CSRD-berichtspflichtig oder nicht? Und daran angeschlossen, ab wann bin ich berichtspflichtig, ist das ab diesem Jahr oder erst ab dem nächsten Jahr? Leider gibt es momentan keine richtige Planungssicherheit. Wir sind also davon abhängig, und Frau von Rottenburg hatte das gerade ja auch schon erläutert, dass sich auf EU-Ebene mit den Schwellenwerten, und auch auf deutscher Ebene, eine Klärung mit dem Umsetzungsgesetz ergibt. Unternehmen müssen deswegen in dieser dynamischen Lage auf Sicht fahren. Und wir als Spitzenverband für die Genossenschaftliche Finanzgruppe versuchen natürlich so gut es geht, an Informationen von der Ebene der Entscheidungsträger:innen zu kommen, dass wir dann auch eine Einschätzung geben können, wie sich die GFG-Institute auf die Gesamtlage einstellen können. Was wir mit aller Wahrscheinlichkeit annehmen können, ist, dass die Unternehmen und Institute mit weniger als 1000 Mitarbeitenden aus der CSRD-Berichtspflicht rausfallen werden bzw. in Deutschland gar nicht erst da reinkommen werden. Und diese Unternehmen könnten sich dann, wenn auch gewünscht, mit dem freiwilligen VSME-Standard befassen. Die Unternehmen mit 500 bis 1000 Mitarbeitenden, die gerade noch NFRD-pflichtig in Deutschland sind, sollten, und ich wiederhole mich hier nochmal, sollten sich dennoch auf eine NFRD-Berichterstattung auch für 2025 einstellen, da es eben noch sein kann, dass das Umsetzungsgesetz dieses Jahr nicht mehr kommt und die alte Rechtslage keine Ablösung erhält, und dann bleibt halt eine nicht finanzielle Erklärung verpflichtend. Eine weitere Frage hinsichtlich der Umsetzung wäre jetzt auch noch die Anwendung der Berichtsstandards. Frau von Rottenburg hat es gerade auch gesagt, die European Sustainability Reporting Standards, also diese ESRS, werden gerade in ihrem Umfang reduziert, also die Datenpunkte werden reduziert, sie werden aber auch umformuliert und sie sollen weniger compliance-orientiert und mehr prinzipienbasiert angewendet werden. Wenn ich mich also auf das ESRS-Regelwerk Stand 2023 vorbereitet habe, muss ich mich noch mal auf die überarbeiteten ESRS zukünftig einstellen, was dann natürlich mit einem gewissen Aufwand noch mal verbunden ist und das sollte auch in die Planung für die Berichterstellung noch mal entsprechend einfließen. Und das läuft natürlich dann alles unter dem Stichwort Vereinfachung, aber angesichts dem Vorabgesagten ist da jetzt auch nochmal ein Fragezeichen dranzustellen. Aber ich möchte jetzt nochmal kurz die Perspektive auch wechseln. Eine Bank ist ja nicht nur Berichterstellerin, sondern sie nutzt auch die Nachhaltigkeitsberichte von ihren Kunden, um ESG-Daten einzusammeln. Zum einen werden ESG-Daten für die eigene Berichterstattung über die Wertschöpfungskette benötigt, also insbesondere Daten der Kunden im Kreditportfolio. Zum anderen ist die CSRD aber nicht die einzige Regulierung, von der Banken in Bezug auf die Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsbelangen verpflichtet sind. Klar, wir haben noch die Taxonomie und die CSDDD, aber seitens der Aufsicht haben wir zum Beispiel über die CRR3, Säule 3, dass alle Institute aller Größen zur Offenlegung von ESG-Risiken und deren Management verpflichtet sind, und auch über die CRD6 müssen ESG-Risikopläne zukünftig aufgestellt werden. Und sowohl CSRD als auch die CRR3 und andere Regularien fordern eine Verbesserung der Datenqualität und die Abkehr von Proxies. Und wenn weniger Unternehmen verpflichtend Nachhaltigkeitsberichterstattung machen und wir weniger geprüfte Berichte und Daten haben, dann muss zwangsläufig auf mehr Schätzwerte zurückgegriffen werden oder es müssen halt, gerade für Banken sehr aufwendig, müssen Daten separat beim Kunden angefragt werden. Was aber auf jeden Fall dahingehend Erleichterung schaffen würde, ist, wenn der VSME von möglichst vielen Unternehmen angewendet wird und somit mehr Daten verfügbar sind, ohne dass Banken zwecks der Berichterstattung oder halt den anderen Regularien ESG-Daten anfragen müssen. Da müsste dann aber auch seitens der Aufsichtsbehörden ein Go kommen, also das dann gesagt wird, der VSME ist ausreichend hinsichtlich der Daten und der Beurteilung der ESG-Risiken bei Kunden. Und wir setzen uns auf jeden Fall als BVR dafür ein, dass Rechtsklarheit in allen genannten Punkten auch so schnell wie möglich kommt.
15:48Ares Abasi
Kurz gesagt, derzeit besteht viel Unsicherheit. Man scheint irgendwie aus den Augen zu verlieren, warum die Berichtspflicht ursprünglich überhaupt erarbeitet worden ist. Aufwand und Nutzen sollten aber im Verhältnis stehen müssen. Wie sich das entwickelt, bleibt spannend. Frau Bartscher, Sie haben die VSME-Berichterstattung angesprochen. Was sind denn die Vorteile einer freiwilligen Berichterstattung?
16:08Jula Bartscher
Ja, ganz wichtige Frage, und ich hatte gerade ja auch schon gesagt, dass wenn der VSME flächendeckend Anwendung findet, perspektivisch individuelle ESG-Datenabfragen von Geschäftspartnern zwecks der eigenen Berichterstattung, aber auch von Finanzinstituten für ihr Risikomanagement, begrenzt werden können, wenn schon welche vorliegen durch den VSME-Bericht. Seitens der Berichterstellung der Banken würde ich sagen, dass der VSME erst mal ein einfacher Anfang ist, um Nachhaltigkeitsinformationen offen zu legen und diese dann auch zur Stakeholder-Kommunikation zu nutzen. Also Banken können Transparenz zu sozialen und ökologischen Leistungen nutzen, um sich als verantwortungsbewusste Finanzierungspartner zu positionieren und damit dann halt auch das Vertrauen zu Kunden zu stärken. Klar ist natürlich, dass dabei kein Greenwashing betrieben werden darf, denn anders als bei der verpflichtenden CSRD-Berichterstattung nach den ESRS ist die Prüfung des VSME-Berichts, und ob Daten auch richtig erhoben worden sind, bisher nicht vorgesehen. Das heißt, die Bank als Berichterstellerin muss ein stimmiges und wahrheitsgetreues Gesamtbild beziehungsweise Nachhaltigkeitsprofil zeichnen durch den VSME-Bericht, und dieses muss dann halt auch mit der angesprochenen verpflichtenden ESG-Offenlegung zusammenpassen. Generell kann man sich den VSME als eine Art Basis-Daten-Set vorstellen, der flexibel mit weiteren branchen- und unternehmensspezifischen Informationen angereichert werden kann. Bei Banken wären das zum Beispiel Scope-3-Emissions, also finanzierte Emissionen, die sehr aussagekräftig sind. Und wenn man den VSME mit den ESRS vergleicht, dann haben wir weitaus weniger Datenpunkte im VSME. Also die ESRS beinhalteten vor der Überarbeitung mehr als 1000 Datenpunkte und der VSME hat ungefähr 140. Ein großer Unterschied zu den ESRS ist zudem, dass die Angaben hauptsächlich quantitativ sind und auch wenig Detailtiefe, beispielsweise zur Beschreibung der Nachhaltigkeitsmaßnahmen, erbracht werden muss. Mit dem VSME muss zum Beispiel nicht berichtet werden, ob und wann ich mir Ziele setze, sondern ob ich überhaupt Initiativen im Haus habe, die zu einem nachhaltigen Wandel beitragen. Wenn es beispielsweise um Wasser geht, könnte ich dann berichten, dass ich wassersparende Wasserhähne eingesetzt habe, oder bei CO2-Emissionen kann ich berichten, dass ich meine Autoflotte elektrisiere, ohne dass ich dann schon die Einsparungen quantifiziere und mir Ziele dazu setze, so wie das dann halt auch in den ESRS verlangt worden ist. Wie schon gesagt, ich kann natürlich immer den VSME-Bericht weiter anreichern. Das macht zum Beispiel der Deutsche Nachhaltigkeits-Kodex. Die haben jetzt eine Plattform erstellt, wo Unternehmen sowohl einen VSME-Bericht als auch einen Bericht nach ESRS erstellen können. Und es gibt dort auch eine Art Zwischenmodul, die zwischen VSME und ESRS liegt. Das ist dann für die Unternehmen interessant, die ihren VSME-Bericht mit Informationen dazu anreichern möchten, wie sie Nachhaltigkeitsmaßnahmen umsetzen. Also Sie sehen, es schwenkt dann wieder so ein bisschen mit der Berichterstattung zur Außendarstellung, aber es wird sicherlich auch spannend in den nächsten Jahren, wie Unternehmen dann dieses Basisset des VSME nutzen werden, um ihre Nachhaltigkeitsleistung zu berichten.
19:35Ares Abasi
Frau von Rottenburg, wie kann CSRD langfristig Anwendung finden, und wird diese Form der Berichterstattung wirklich Vorteile bringen?
19:43Nana von Rottenburg
Frau Bartscher hat ja gerade erläutert, wie viele Datenpunkte es in der CSRD gab. Diese werden jetzt derzeit reduziert. Es gab erste Vorschläge. Wir waren jetzt noch nicht glücklich mit den Vorschlägen. Die CSRD, also die ESRS, waren weiterhin sehr kompliziert formuliert. Man hatte den Eindruck, dass die EFRAG, die zur Überarbeitung beauftragt war, versucht hat, in die jetzt weniger vorhandenen Datenpunkte einfach mehr Informationsabfragen rein zu quetschen. Die Struktur hat sich ein bisschen verbessert. Ich denke, die CSRD wird dann eine Chance bekommen, wenn sie noch viel praxisnäher gestaltet wird, wenn sie pragmatisch weiterentwickelt wird, wenn der Aufwand wirklich gering gehalten wird, die Daten und Informationen zu beschaffen, und die Unternehmen tatsächlich das Gefühl haben, die Daten und Fragen, die gestellt werden, sind Fragen, die eine Hebelwirkung in Bezug auf Nachhaltigkeit haben, dass das den Unternehmen und vielleicht auch der Gesamtwirtschaft weiter hilft in Bezug auf Nachhaltigkeit, Klimaschutz, und sie nicht das Gefühl haben, sie müssen eine Vielzahl von Daten erheben, wo sie den Sinn dahinter nicht erkennen. Warum soll ich jetzt diesen und jeden Datenpunkt erheben? Was ist der Mehrwert? Was ist die Erkenntnis daraus für jemanden, also für uns als Unternehmen oder auch für einen Prüfer oder ein Investor, der vielleicht Daten vergleicht? Und ich glaube, da kann noch dran gearbeitet werden. Wir warten gespannt auf Anfang Dezember, wo die EFRAG dann ihre finale Version der überarbeiteten ESRS vorstellt. Es gab hier eine Konsultation derer, wo wir auch diese Kritikpunkte, die ich eben genannt hatte, mit aufgenommen haben. Und das ist ein ganz wichtiger Punkt, und es muss auch weiterhin daran gearbeitet werden, dass man wirklich alle Regulierungen anschaut und schaut, dass es nicht zu Doppeltberichterstattungen kommt, die womöglich noch mit unterschiedlichen Metriken abgefragt werden. Das ist einfach ein wichtiger Punkt, in den die EU-Kommission noch Arbeit stecken muss, auch bei ihren zukünftigen Regulierungen oder auch bei den Regulierungen, die schon am Markt sind, dass es keine Doppelarbeit gibt. Sonst steigt die Frustration weiterhin mit der Bürokratie. Und die CSRD hat, glaube ich, dann auch eine Chance, wenn es jetzt einfach schnell Klarheit geschaffen wird und es eine Rechtssicherheit gibt, wohin man als Unternehmen gehen muss. Und da kann man halt hoffen, dass das Ende des Jahres uns mehr Klarheit bringt und für alle auch mehr Sicherheit, was im nächsten Jahr tatsächlich ansteht.
22:10Ares Abasi
Es bleibt dynamisch, so sieht der Stand heute aus. Wir können nur hoffen, dass sich in den kommenden Monaten der Nebel lichtet, ob die CSRD zu mehr Klarheit führt oder mehr Bürokratie verursacht. Wenn Sie das Thema vertiefen möchten, lohnt sich ein Blick in unser Modul Sustainable Finance. Dort beleuchten wir auch CSRD und Nachhaltigkeit im Finanzkontext noch ausführlicher. Danke an unsere Gäste und an alle Zuhörer, wir freuen uns auf die nächste Folge.
22:34Jula Bartscher
Vielen Dank. Tschüss.
22:36Nana von Rottenburg
Vielen Dank auf Wiederhören.
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